Zu wenige neue Franchise-Partner: Warum die deutsche Franchise-Wirtschaft umdenken sollte

Zu wenige neue Franchise-Partner: Warum die deutsche Franchise-Wirtschaft umdenken sollte

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Ende 2015 hatte der Deutsche Franchise-Verband (DFV) mit seinem Franchise-Barometer ernüchternde Zahlen für die Entwicklung der deutschen Franchise-Wirtschaft vorgestellt. Demnach haben im vergangenen Jahr nur noch 37 Prozent der befragten Franchise-Systeme ihre Expansionsziele erreicht. Der DFV erklärt nun unter anderem „die Stärkung der Gründerkultur“ und die Erschließung neuer Zielgruppen zum Gegenmittel. Doch wer heute neue Franchise-Partner gewinnen will, muss vor allem im Vergleich zu anderen Karriereoptionen überzeugen. Deshalb ist die Franchise-Wirtschaft selbst gefordert, längst überfällige Kurskorrekturen vorzunehmen. Ein Kommentar.
 

Gegenüber der „Welt“ äußerte DFV-Geschäftsführer Torben L. Brodersen jüngst Sorgen, dass etliche Franchise-Systeme in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnten. Aufgrund des anhaltenden Franchise-Nehmer-Mangels setzen zahlreiche Franchise-Systeme inzwischen verstärkt auf die Expansion mit bestehenden Partnern, die weitere Standorte eröffnen. In den vergangenen Jahren wurde zudem versucht, mehr Angestellte des mittleren Managements für eine Selbstständigkeit im Rahmen einer Franchise-Partnerschaft zu begeistern. Mit bescheidenem Erfolg. In einem Beitrag des DFV-Blogs werden nun Fachkräfte bzw. Facharbeiter als neue Zielgruppe definiert. Diese Gruppe böte das größte Potenzial, um neue Franchise-Partner zu gewinnen.


Facharbeiter statt Manager
Ob beim anhaltenden Fachkräftemangel tatsächlich viel Interesse besteht, einen recht sicheren und gut bezahlten Arbeitsplatz gegen eine oft als risikobehaftet wahrgenommene Franchise-Gründung zu tauschen, bleibt abzuwarten. Auch weil in Deutschland dem Schritt in die Selbstständigkeit traditionell ein großes Sicherheitsbedürfnis gegenüber steht.


Laut DFV werden in diesem Jahr rund 5.000 neue Franchise-Nehmer benötigt. Die Welt zitiert den Franchise-Berater Felix Peckert: Er sieht nicht mehr "als 1.750 neue Partner für 2016". Klar ist, dass tatsächlich für einen Teil der zahlreichen Menschen, die ihren Arbeitsplatz wechseln, auch Franchise-Gründungen interessant sein könnten. Allerdings nur, wenn das Franchise-Angebot deutliche Vorteile im Vergleich zu einer Festanstellung bietet. Und an diesem Punkt kommen heute nicht nur viele Franchise-Systeme, sondern auch die zentralen Akteure der Franchise-Wirtschaft in Argumentationsnot. Anstatt nach einer gestärkten Gründerkultur zu rufen und neue Zielgruppen zu deklarieren, brächte die Analyse der eigenen Schwächen und Probleme wahrscheinlich bessere Antworten hervor.
 

Franchising muss kein Erfolgsrezept sein
Neben der tatsächlichen Qualität mancher Systeme und Geschäftskonzepte tragen auch vorherrschende Kommunikations- und Partnergewinnungsstrategien dazu bei, dass die Überzeugungskraft von Franchise-Systemen schwindet. Denn sowohl der DFV als auch zahlreiche Franchise-Geber und -Experten versuchen weiterhin, das Franchising per se als Erfolgsrezept für den Start in die Selbstständigkeit zu verkaufen. Der DFV-Slogan lautet aktuell noch immer „Erfolgreicher selbstständig“. Und das, obwohl dies bis heute mit keiner Studie belegt werden konnte. Die Aussage, dass Franchise-Gründungen generell erfolgreicher sind als Gründungen in Eigenregie, kann am Ende schon deshalb nie wahr werden, weil die Vergleichsgruppen viel zu inhomogen sind.


So wurde zum Beispiel in der letzten Studie des Internationalen Centrums für Franchising & Cooperation (F&C) eine Auswahl von DFV-geprüften Franchise-Systemen mit allen Eigenregie-Gründungen verglichen, die im KfW-Gründungsmonitor erfasst werden. Dazu zählen auch Gründungen, die von Anfang an nur auf Zeit angelegt waren, Gründungen von Freiberuflern, die meist kein Unternehmen im Sinne eines Betriebs aufmachen, und nebenerwerbliche Gründungen. Hinzu kommen die sogenannten Notgründer, die zur Selbstständigkeit keine bessere Erwerbsalternative hatten, und immerhin einen Anteil von 30 Prozent an den im KfW-Monitor erfassten Gründungen haben. Sogar die F&C-Studie weist explizit darauf hin, dass „ein Vergleich deshalb nur sehr eingeschränkt möglich“ sei. Was für einen Sinn hat aber ein Vergleich, der nur „sehr eingeschränkt möglich“ ist? Eingeschränkt auf die Kategorie „Obst“ lassen sich schließlich auch Äpfel und Birnen gut vergleichen. Welches Bild würde sich ergeben, wenn Franchise-Gründungen mit Gründungen verglichen würden, die von ausgewählten Business-Angels oder Gründercoachings begleitet werden? Überhaupt zielt der Vergleich von Franchise-Gründungen mit Gründungen in Eigenregie zunehmend ins Leere. Denn die Alternative zur Franchise-Gründung ist für die meisten nicht der unabhängige Start in die Selbstständigkeit, sondern eine Festanstellung.


Auszeichnungen ohne Aussagekraft
Es gibt in Deutschland zwar mehrere Siegel und Auszeichnungen, mit denen Franchise-Systeme Marketing betreiben, doch keines davon untermauert seinen Anspruch mit transparenten und detaillierten Informationen. Zudem wird für die bekanntesten Siegel von den Franchise-Systemen auch bezahlt. Zwar nicht für das Ergebnis, wohl aber für das Prüfungsverfahren.


Obwohl schon 2013 eingestellt, werben auch noch immer etliche Systeme mit einer Platzierung im Franchise-Ranking des Unternehmermagazins Impulse. Die Qualität dieses Rankings wurde bereits mehrfach von Franchise-Blog.de beleuchtet. Der System-Check des DFV erhebt  den Anspruch ein Qualitätssiegel zu sein. Allerdings ist auch das für jeweils drei Jahre gültige DFV-Siegel kaum mehr als ein Indiz, das Franchise-Gründer bei der Suche nach guten Franchise-Systemen nutzen können. Dabei könnte der DFV leicht dazu beitragen, den Interessen von potenziellen Franchise-Nehmern und seriösen Systemen besser gerecht zu werden. So ließe sich etwa das aktuell nicht weiter hinterfragbare Gütesiegel durch nachvollziehbare Zahlen über Jahre hinweg, umfassendere Informationen und die Preisgabe der genauen Befragungsbeteiligung und der Ergebnisse ergänzen.


Auch die F & C Awards des Internationalen Centrums für Franchising und Cooperation oder die jährlich vergebenen DFV-Franchise-Awards bieten kaum mehr als Indizien. Zu intransparent sind die Informationen, die im Zusammenhang mit diesen Auszeichnungen bereitgestellt werden, zu vage die Bewertungsmethoden und zu kurzfristig die Betrachtungsweisen. Für den "F&C-Award Gold" etwa ist eine Zufriedenheitsbefragung aller Franchise-Partner eines Systems die Grundlage. Die Rücklaufquote muss nur zwischen 40 und 50 Prozent liegen. Von diesen 40 bis 50 Prozent der Franchise-Partner wiederum müssen 65 Prozent angeben, sie würden sich erneut für das System entscheiden, und nur die Hälfte muss aussagen, sie würde das System weiterempfehlen. Grob gesagt reicht es also, wenn etwa die Hälfte der Hälfte (also etwa 25 Prozent) aller Franchise-Partner explizit mit ihrem System zufrieden ist, um den "F&C- Award Gold" zu erhalten. Beim "F&C- Award Silber“ ist der Anspruch noch niedriger. Die Zufriedenheitsbefragung des F & C wird dabei zudem gleich doppelt genutzt, denn sie fließt auch bei der Vergabe des DFV-Siegels ein.


Ein Relikt aus alten Zeiten
In der Regel dürften potenzielle Franchise-Partner – wie bereits erwähnt – nicht vor der Frage stehen: Franchise-Gründung oder Gründung in Eigenregie? Meist ist eine Franchise-Gründung die Alternative zum Angestellten-, Freiberufler- oder auch bisherigen Eltern-Dasein. Oder auch eine lukrative Investitionsmöglichkeit. Die platte Formel „Franchising gleich Erfolg“ erscheint da wie ein Relikt aus den Zeiten höherer Arbeitslosenquoten, als viele Franchise-Systeme noch nach Partnern gesucht haben, die keine Management-Erfahrung mitbrachten, sondern nach Alternativen zur Arbeitslosigkeit oder schlechten Jobs suchten. Vom Staat mitfinanzierte Gründungen aus der Arbeitslosigkeit spielen heute aber kaum noch eine Rolle für Franchise-Systeme. Aufgrund des De-facto-Wegfalls des Gründerzuschusses kann sich diese Klientel selbst Gründungen mit niedrigen Investitionskosten kaum mehr leisten. Wenn heute vor allem Führungs- und Fachkräfte mit erheblichem Eigenkapital gewonnen werden sollen, wäre daher eine differenziertere Kommunikation, die sich Floskeln spart, erfolgsversprechender.


Die tatsächlichen Vorteile darstellen
Ein weiterer Nachteil der Formeln, die das Franchising zum Erfolgsprinzip erheben, und von plakativen Gütesiegeln ist, dass sie den Blick auf die tatsächlichen Vorteile eines Systems in seiner individuellen Qualität schnell verstellen. Schließlich steht es außer Frage, dass ein gutes Geschäftskonzept und professionelle Leistungen der Systemzentrale die Erfolgsaussichten einer Franchise-Gründung erhöhen können. Aber eben nur dann, wenn auch die Qualität bei vielen weiteren Einzelfaktoren stimmt und diese anschaulich belegt, und nicht nur behauptet werden. Und dazu zählen nicht nur Faktoren, die die Partnerschaft zwischen Franchise-Geber und -Nehmer betreffen. Genauso wichtig sind alle Aspekte, die bei jedem anderen Unternehmen auch relevant sind. Sei es die Marktstellung insgesamt, die Innovationskraft, das finanzielle Potenzial, die Qualität des Unternehmensmanagements, der Mitarbeiter und Geschäftspartner, der Produkte oder Services und und und.


Vorteile müssen das Gründungsrisiko rechtfertigen
In Zukunft gewinnen können also nur Systeme, die ganz konkret und individuell aufzeigen, was sie Franchise-Gründern zu bieten haben, und belegen, dass Anspruch und Wirklichkeit übereinstimmen. Vor allem müsste auch klar aufgezeigt werden, welche Vorteile im Vergleich zu den oben genannten Alternativen von Gewicht sind.


Ein Beispiel: Wenn es stimmt, dass die als Franchisepartner umworbenen Zielgruppen ein hohes Sicherheitsbedürfnis und zudem gute Aussicht auf gut bezahlte Festanstellungen haben, müssen Franchise-Geber sich Neues einfallen lassen, um hier bestehen zu können, und konkrete Vorteile aufzeigen, die das Gründungsrisiko aus Sicht des Franchise-Nehmers klar rechtfertigen – auch in finanzieller Hinsicht. Warum sollte ein Franchise-Angebot interessant sein, wenn mehr Arbeit und mehr Verantwortung nicht unbedingt mehr Einkommen, dafür weniger Sicherheit und keine vollständige unternehmerische Freiheit einem bequemen Arbeitsplatz mit Aufstiegschancen samt guter Rente und Krankenversicherung gegenüberstehen?


Transparenz können sich nur die Guten leisten
Ein weiterer Schritt hin zu mehr Überzeugungskraft wäre der offensive und lösungsorientierte Umgang mit den eigenen Geschäftszahlen und Angaben zur Systementwicklung. Allzu oft wird die Entwicklung des eigenen Franchise-Unternehmens noch immer in rosagefärbte Erfolgspressemitteilungen verpackt. Selbst große Franchise-Systeme denken hier nicht selten so kurzfristig und marketing-lastig, dass es oft nur eine Frage der Zeit ist, bis ihnen die eigenen Lobeshymnen auf die Füße fallen. Dass es hier nicht öfter zu Negativschlagzeilen kommt, ist zum einem dem Umstand geschuldet, dass es im deutschsprachigen Raum praktisch kein Medium gibt, das sich dem Thema Franchising regelmäßig kritisch widmet. Die meisten Publikationen sind viel zu sehr von den Werbeeinnahmen durch Franchise-Systeme abhängig, als dass sie sich dies leisten könnten. Auch in den wenigen größeren Artikel der Tagespresse findet sich kaum mehr als Informationen und Statements des DFV und des Mediendienstes der PR-Agentur Peckert. Anlaufstellen für kritische Journalisten gibt es nicht. Zudem ist Kritisches auch vom Verband nicht wirklich erwünscht: Selbst der Ethik-Kodex des DFV fordert von Franchise-Gebern und -Nehmern ein, das „Franchising insgesamt“ bzw. die Franchise-Wirtschaft schädigendes Verhalten zu unterlassen. In diesem Leitsatz scheint sich die Auffassung widerzuspiegeln, Franchising sei per se etwas Gutes und Schützenswertes. Es ist schon eigenartig, dass seriöse Franchise-Systeme dieses Mantra mitsingen, zumal doch niemals sie selbst, sondern immer nur die schlechteren Systeme davon profitieren können. Die nächste Negativschlagzeile wie zuletzt zum Beispiel bei Burger King wird es wieder beweisen: Der Versuch, „das Franchising insgesamt“ zu etwas Gutem oder einer Erfolgsformel zu überhöhen, bleibt für immer zum Scheitern verurteilt.


So wie Arbeitgeber heute längst mit ihren konkreten Leistungen für die Mitarbeiter um die besten Köpfe werben, müssten endlich auch Franchise-Systeme in den Wettbewerb treten, anstatt Einheit und Homogenität zu behaupten, wo keine ist. Die Franchise-Wirtschaft braucht wie jeder andere Markt einen von außen klar wahrnehmbaren Qualitäts-, Nachhaltigkeits- und Ethik-Diskurs. Man stelle sich vor, wie viel Lebendigkeit und Spannung ein offener, differenzierter Wettbewerb um die besten Formen des Franchisings mit sich bringen würde. Ein Wettbewerb also, der auch die Neugier potenzieller Franchise-Partner fördern würde.


Vertrauen schaffen
Es ist zudem kaum nachvollziehbar, warum seriöse Franchise-Unternehmen durch Weglassen von Informationen, durch vage Formulierungen, aussageschwache Zahlen oder großspurige Zielverkündungen versuchen, ein Erfolgsimage selbst dann zu generieren, wenn es einmal weniger gut läuft. Schließlich dienen PR und Öffentlichkeitsarbeit eben nicht dem kurzfristigen Marketing, sondern sollen ein langfristiges Vertrauensverhältnis zur Öffentlichkeit aufbauen und stärken. Dass sich das am Ende nicht mit Halbwahrheiten und Intransparenz erreichen lässt, sollten die Manager der Systemzentralen eigentlich wissen.


Wer Manager oder Führungs- und Fachkräfte als Partner sucht, müsste auch beachten, dass diese Menschen meist zu schlau sind, als dass sie solch ungebrochenen Erfolgsmeldungen Glauben schenken würden. So entsteht also schnell Misstrauen, wo Vertrauen zwingend erforderlich ist. Zumindest DFV-Mitglieder müssten hier eigentlich anders agieren. Denn im DFV-Ethik-Kodex heißt es unter dem Punkt „Partnerwerbung, -gewinnung und Offenlegung“: die „Werbung für die Gewinnung von Franchise-Nehmern soll ohne Zweideutigkeiten und ohne irreführende Angaben erfolgen“.


Franchise-Systeme, die in ihrer Kommunikation weiter so verfahren wie bisher und nicht transparent agieren (können), werden den Kampf um die besten Franchise-Partner zu Recht verlieren. Franchise-Systeme hingegen, die Transparenz zeigen, echte Vorteile gegenüber den beruflichen Alternativen aufzeigen und zudem über Probleme und Konflikte – oder besser Problem- und Konfliktlösungen sprechen, gewinnen an Überzeugungskraft und machen sich unterscheidbar. Vielleicht sollten sich Franchise-Geber einfach öfter in Erinnerung rufen, dass Existenzgründer tatsächlich bereit sind, ihre Existenz zu riskieren. Vor diesem Hintergrund sind Transparenz und Aufrichtigkeit dann stets auch eine Frage des Muts, der Moral und des Anstands – allesamt wichtige Faktoren für eine gute (Franchise-) Partnerschaft. 


03.03.16 ©opyright FranchisePORTAL GmbH




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