Autor: Dr. Jan Evers
Veröffentlicht am: 23.01.2019
Der Hauptgrund, warum Menschen vor dem Schritt in die Selbstständigkeit zurückschrecken, ist die Angst vor dem Scheitern. Und diejenigen, die es trotzdem wagen ein Unternehmen zu gründen, werden oft von Zweifeln geplagt: Ist das Risiko kalkulierbar? Bleiben mir die Kund*innen treu? Werde ich mich womöglich ruinieren?
In diesem Artikel zeige ich Ihnen heute Strategien auf, wie Sie der Angst vor dem Scheitern begegnen und was Sie tun können, um das Risiko zu minimieren.
Die Angst vom Scheitern – übertrieben oder begründet?
Das Risiko gehört zum Unternehmertum wie das Gelbe zum Ei. Selbst wenn Sie alles richtig machen, können Sie nie zu 100 Prozent sicher sein, dass Ihr Vorhaben ein Erfolg wird. Es hilft nichts: Mit dieser Unsicherheit müssen Sie leben. Aber Sie können, wie Sie gleich sehen werden, einiges dafür tun, das Risiko klein zu halten und sich vor dem Totalverlust schützen.
1. Franchising als Strategie, das Risiko zu reduzieren
Wenn Sie sich für ein seriöses Franchisesystem entscheiden, reduzieren Sie die Wahrscheinlichkeit einer Niederlage gegenüber einer freien Gründung erheblich. Denn beim Franchising hat sich die Geschäftsidee bereits an anderen Standorten bewährt und Sie können auf den Erfahrungsschatz ihrer Franchisepartner*innen zurückgreifen. Sie profitieren von einer eingeführten Marke und bekommen zudem vielfältige Unterstützung in Form von Weiterbildungen, Beratungen oder maßgeschneiderter Software.
2. Gut geplant ist halb gewonnen
Auch wenn es banal klingt, ist es nicht weniger wahr: Je gründlicher Sie Ihre Selbstständigkeit vorbereiten, desto besser sind Ihre Erfolgsaussichten. Ein selbstgeschriebener Businessplan ist eine hervorragende Möglichkeit, Ihr Vorhaben auf seine Machbarkeit zu überprüfen.
Denken Sie bitte daran: Auch als Franchisenehmer*in fällt Ihnen der Erfolg nicht in den Schoß. Sie sind dafür verantwortlich, das Konzept Ihres Franchise-Gebers an einem neuen Standort zur Blüte zu bringen. Damit das gelingt, sollten Sie sich schon in der Vorbereitungsphase intensiv mit den ortsspezifischen Marktbedingungen auseinandersetzen.
3. In kleinen Schritten gründen
Wer von Anfang an in großen Dimensionen plant, kann nur schwer gegensteuern, falls die Dinge anders laufen als gedacht. Klüger ist es, mit einem kleinen Betrieb und wenigen Mitarbeiter*innen anzufangen und auf gesundes Wachstum zu setzen. So lassen sich die eigenen Annahmen früh am Markt testen und Sackgassen erkennen, bevor es zu spät ist.
Wenn Sie Ihre Gründung mehrstufig und mit wiederkehrenden Testschleifen planen und dabei stets die Bedürfnisse Ihrer Kundschaft im Blick behalten, ist ein Totalverlust so gut wie ausgeschlossen.
4. Flexibel bleiben
Ein fundierter Businessplan hilft, die ökonomischen Risiken zu verringern. Aber er ist nicht in Stein gemeißelt! Setzen Sie ihn bloß nicht auf Teufel komm raus um, sondern wahren Sie eine kritische Distanz. Sollten zum Beispiel Ihre Einnahmen langsamer steigen als erhofft, wären Sie gut beraten, auch die Ausgaben wenn möglich hinauszuzögern.
Bleiben Sie offen für Veränderungen und verabschieden Sie sich notfalls von Konzepten, die nicht funktionieren.
5. Eine rote Linie ziehen
Es empfiehlt sich außerdem, schon bei der Planung eine rote Linie zu ziehen, die Sie nicht überschreiten. Legen Sie vorher fest, wie viel Geld Sie maximal einsetzen wollen – und hören Sie auf, wenn Sie Ihr Limit erreicht haben. Vielen Unternehmer*innen fällt es schwer, den Moment zu erkennen, an dem wirklich nichts mehr geht und es besser wäre, die Segel zu streichen. Je mehr Geld sie in ihr Unternehmen stecken, desto weniger sind sie bereit, aufzuhören. Der Druck, doch noch zum Erfolg zu kommen, wird so immer größer. Lassen Sie es nicht so weit kommen. Riskieren Sie nur so viel, wie Sie gerade noch verschmerzen können. Dann können Sie sich im Falle einer Pleite damit trösten, dass Sie zwar viel Zeit und Geld verloren, aber auch sehr viel gelernt haben – und diese Erfahrungen können Sie für einen Neustart nutzen.
So kann man sich als Gründer*in gegen den Totalverlust absichern
Zugegeben, bis jetzt sind meine Ratschläge recht allgemein geblieben. Aber sie lassen sich anhand von Beispielen leicht in konkrete Handlungsempfehlungen umsetzen.
Wenn Sie im Einzelhandel durchstarten wollen, stellen Sie mit der Standortwahl die Weichen für Ihren späteren Erfolg. Das Risiko auf Ihren Waren sitzenzubleiben, können Sie minimieren, indem Sie einen Standort wählen, an dem es genügend Lauf- und Stammkundschaft gibt.
Verlassen Sie sich dabei nicht auf die Aussagen Ihrer Vermieter*innen oder auf Ihr Bauchgefühl. Zählen Sie nach! Beziehen Sie an mehreren Tagen zu unterschiedlichen Tageszeiten Posten vor Ihrem zukünftigen Laden und notieren Sie, wie viele Personen dort vorbei kommen und wie viele davon womöglich zu Ihrer Zielgruppe zählen könnten.
Nutzen Sie die Gelegenheit gleich für eine Straßenbefragung: Erzählen Sie kurz, was Sie vorhaben und fragen Sie die Leute nach ihrer Meinung. Würden sie Ihr Angebot kaufen? Wenn ja, zu welchem Preis? Wenn nein, warum nicht? Je mehr Sie über Ihre potenzielle Kundschaft erfahren, desto besser!
Dasselbe gilt für die Gastronomie. Hier rate ich zudem dazu, die Möglichkeiten einer Geschäftsübernahme zu prüfen: Viele gut laufende Restaurants oder Cafés suchen Nachfolger*innen. Wenn die Zahlen Ihrer Vorgänger*innen stimmen und Sie einen vernünftigen Verkaufspreis aushandeln können, sollten Sie zugreifen. Denn so können Sie schon beim Start auf einen treuen Kundenkreis aufbauen.
In der Industrie stehen oft sehr hohe Investitionen an, die sich nicht in mehrere kleine Portionen untergliedern lassen. Oft muss auf einen Schlag viel Geld in eine neue Maschine gesteckt werden. Aber auch hier gibt es Wege, das Investitionsrisiko zu minimieren. Präsentieren Sie Ihr Angebot, bevor Sie es produzieren können, und versuchen Sie, Käufer*innen zu finden. Durch (im Idealfall verbindliche) Vorbestellungen können Sie sicherstellen, dass die Nachfrage die Investitionen rechtfertigt.
Naturgemäß sind innovative Geschäftsmodelle besonders risikoreich, denn niemand kann sagen, ob die neuartige Lösung bei den Kund*innen überhaupt ankommt. Hier hilft es, die Zielgruppe so früh wie möglich in den Entwicklungsprozess einzubinden. Sie können zum Beispiel immer wieder Prototypen präsentieren und die Reaktionen der Zielgruppe in deren Weiterentwicklung einfließen lassen.
Einen Schritt weiter gehen Sie, wenn Sie ein Minimum Viable Product – MVP auf den Markt bringen, also die kleinstmögliche Version Ihres Produktes. Aus dem Feedback Ihrer Kundschaft können Sie wichtige Schlüsse ziehen, um es immer weiter auszubauen und zu verbessern.
Hauptsache, Sie machen nicht den Fehler und tüfteln so lange im Verborgenen, bis Sie die vermeintlich perfekte Lösung gefunden haben. Dann ist nämlich das Risiko, viel Geld in ein Produkt zu stecken, das die Zielgruppe am Ende gar nicht (mehr) will, am größten.
Fazit: Ohne Risiko geht es nicht
Ganz ohne Risiko ist das Abenteuer Selbstständigkeit nicht zu haben. Aber es gibt Wege, es in einem überschaubaren Rahmen zu halten.
Eine gute Planung ist das A und O. Auf der Gründerplattform, die wir im Auftrag des Wirtschaftsministeriums und der KfW an den Start gebracht haben, finden Sie viele praktische Hilfen, wie Sie Ihre Gründung sicher vorbereiten. Hier gibt es zum Beispiel ein digitales Businessplan-Tool, das Ihnen bei der Rentabilitätsplanung hilft, und Ratgeber über moderne und risikoarme, das heißt stufenweise und schlanke Gründungsmethoden.
Wie wahrscheinlich ein Totalverlust ist, ist allerdings nicht nur eine ökonomische Frage. Es hängt auch von psychologischen Faktoren ab. Als Unternehmer*in stehen Sie zwischen zwei Polen: Einerseits müssen Sie bereit sein, Ihr Vorhaben auch gegen Widerstände durchzusetzen.
Wenn Sie zu früh aufgeben, werden Sie Ihr Unternehmen nie zum Erfolg führen. Andererseits müssen Sie den Moment erkennen, an dem es Zeit ist, die Reißleine zu ziehen und neue Wege einzuschlagen, bevor es zur Katastrophe kommt.
Die Herausforderung besteht darin, die richtige Balance zwischen Durchhalten und Loslassen zu finden. Wenn Sie Menschen in Ihrem Umfeld haben, die an Sie glauben, aber trotzdem einen klaren Blick für die Tatsachen behalten, können Sie sich glücklich schätzen. Auf ihr Urteil sollten Sie unbedingt vertrauen!